STATEMENT / KÜNSTLERSTATEMENT
I move between worlds — between Germany and Nigeria, between art and physics, between what can be measured and what can only be felt. My work grows out of this in-between space. It is where my questions begin: What does it mean to exist? What shapes us? Which forces act on us before we even have words for them?
Ich bewege mich zwischen Welten — zwischen Deutschland und Nigeria, zwischen Kunst und Physik, zwischen dem Messbaren und dem nur Fühlbaren. Aus diesem Dazwischen wächst meine Arbeit. Dort beginnen meine Fragen: Was bedeutet es zu existieren? Was formt uns? Welche Kräfte wirken auf uns, bevor wir Worte dafür haben?
My background in physics taught me to look beneath the surface — to search for structures, origins, and the invisible. During my PhD, I searched for the Higgs particle, a fragment of the universe so small it borders on the mythological. If science can explain why mass exists, can art help us understand why we exist?
Die Physik hat mich gelehrt, unter die Oberfläche zu schauen — nach Strukturen, Ursprüngen und dem Unsichtbaren. Während meiner Promotion suchte ich nach dem Higgs-Teilchen, einem Fragment des Universums, so klein, dass es fast mythisch erscheint. Wenn Wissenschaft erklären kann, warum Masse existiert — kann Kunst uns näherbringen, warum wir existieren?
In my paintings, I turn toward the human face — a landscape of perception, a place where memory, vulnerability, and introspection meet. These works are not portraits of individuals but echoes of inner states.
In meinen Gemälden widme ich mich dem menschlichen Gesicht — einer Landschaft der Wahrnehmung, einem inneren Raum, in dem Erinnerung, Verletzlichkeit und Innenschau zusammentreffen. Die Figuren sind weniger Porträts als Resonanzen innerer Zustände.
In sculpture, my work becomes more tactile, raw, and experimental. Influenced by Joseph Beuys, I treat matter as something alive — something that carries energy, history, and transformation.
In der Bildhauerei wird meine Arbeit körperlicher, direkter, experimenteller. Inspiriert von Joseph Beuys behandle ich Materie als etwas Lebendiges — als etwas, das Energie, Geschichte und Wandlung in sich trägt.
I am drawn to the threshold where science and spirituality touch. My installations explore this delicate space: Do we trust in data or in the unseen? Or are both expressions of the same longing?
Mich fasziniert der Ort, an dem Wissenschaft und Spiritualität sich berühren. Meine Installationen erkunden diese Schwelle: Vertrauen wir auf Daten oder auf das Ungesehene? Oder sind beides Ausdruck derselben Sehnsucht?
I am an artist, a scientist, and a seeker. I weave these worlds together to listen — to the forces that move us, to the questions that persist, and to the moments in which something within us begins to take shape.
Ich bin Künstlerin, Wissenschaftlerin und Suchende. Ich verwebe diese Welten, um zuzuhören — den Kräften, die uns bewegen, den Fragen, die bleiben, und den Momenten, in denen etwas in uns beginnt, Form anzunehmen.
Critical Essay / Kritischer Essay
Summary / Kurzfassung
Art historian Dr. Stefanie Lucci reflects on Anna Nwaada Weber’s early work as an exploration of existence, identity, and inner perception. She describes Weber’s paintings as quiet, introspective spaces where vulnerability is protected rather than exposed. Lucci connects this sensibility to Weber’s background in physics and her German–Nigerian heritage, concluding that the work invites viewers into a reflective space shaped by empathy and the search for being.Die Kunsthistorikerin Dr. Stefanie Lucci beschreibt Anna Nwaada Webers frühes Werk als eine künstlerische Auseinandersetzung mit Existenz, Identität und innerer Wahrnehmung. Ihre Gemälde erscheinen als stille, introspektive Räume, in denen Verletzlichkeit nicht ausgestellt, sondern behutsam geschützt wird.
Lucci verknüpft diese Haltung mit Webers Hintergrund in der Physik sowie ihrer deutsch-nigerianischen Herkunft und kommt zu dem Schluss, dass das Werk die Betrachtenden in einen Raum der Reflexion führt — geprägt von Empathie und der fortwährenden Suche nach dem Sein.
Anna Nwaada Weber
You and Me
Orginal essay (German) by Dr. Stefanie Lucci, Art Historian (2012)
Orginalessay (Deutsch) von Dr. Stefanie Lucci, Kunsthistorikerin (2012)
Anna Nwaada Webers künstlerisches Schaffen ist durchdrungen von der Suche nach dem Sein. Sie malt Menschen in Intimsphären, Menschen die den Blick nach innen richten, in gedehnten Momenten existenzieller Erfahrungen. Dabei konzentriert sich Anna Nwaada Weber meist auf den Spiegel unserer Seele, Gesichter. Vor diesen scheint jedoch ein Schleier zu liegen, der die Gestalten dem direktem Blick entzieht und in die stets dunkle Bildtiefe hinein zieht, sie gleichsam schützt. Die Bildtiefe erstreckt sich in unbestimmbaren Raum, der die kosmische Dimension der Unendlichkeit evoziert.
Die frühen Arbeiten, in denen die Künstlerin warme Farben verwendete, sind nun Werken mit kühlem Kolorit gewichen. Preußisch Blau ist, neben kaltem Rot, gegenwärtig die bevorzugte Farbe der Künstlerin. Mit schnell gesetzten Malgesten arbeitet Anna Nwaada Weber die Gestalten Schicht um Schicht aus der Bildtiefe heraus, was ihnen etwas seltsam schwebendes verleiht. Mit der Verunklärung des Gezeigten, dem kühlem Kolorit sowie der schlierenhaften obersten Malschicht schafft Anna Nwaada Weber eine sanfte Distanz, die dennoch nicht trennt, sondern Identifikation des Betrachters mit der Szene zulässt.
Die Auseinandersetzung mit Existenziellem verbindet Anna Nwaada Weber mit Francis Bacon, dessen Kunst sie inspiriert. Im Gegensatz zu der oftmals schonungslosen Direktheit des Künstlers, nähert sich Anna Nwaada Weber jedoch behutsamer dem Thema. Ihre Gestalten scheinen durch die Verschlierung der Malspuren gleichsam geschützt. Sind die Szenerien Bacons hoch dramatisch und zeigen krude Verletzung, sind es bei Anna Nwaada Weber eher Momente der Stille, in denen sich Menschen ihrer selbst gewahr werden. Verletzung wir hier in Verletzlichkeit überführt und subtil veranschaulicht. So etwa durch präzise gesetzte opake blautonige Balken, die sich über Gesichtspartien legen und diese teilen, durch Verschiebungen, Trennungen, Verdoppelungen der Augen und Verschattungen ganzer Bereiche.
Anna Nwaada Webers fokussierter Blick auf den Themenkreis des Seins, der Identifikation, Verortung und Selbstvergewisserung ist sicherlich auch in der Biografie der Künstlerin begründet. Als promovierte Teilchenphysikerin hat sie sich intensiv mit der Suche nach dem verschwindend kleinen Higgs-Teilchen beschäftigt, das als letzter unbekannter Baustein der Materie galt. Dieses Teilchen, nach dem seit mehr als 40 Jahren und mit einem immensen Aufwand geforscht wurde, ist im Juli endlich gefunden worden. Es könnte die größte Lücke im Standardmodell der Teilchenphysik schließen. Mit ihm ließe sich erklären, warum sich Galaxien und Sterne zusammenballen, warum es Planeten gibt, letztlich warum es den Menschen gibt, weswegen das Higgs-Teilchen auch „Gottesteilchen“ genannt wird.
Auch Anna Nwaada Webers nigerianische Herkunft trägt zur ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Sein und dem Ich bei. Als hier „zu dunkel“ und dort „zu hell“ ist für sie die Identitätsfrage schon früh zu einer Lebensfrage geworden. Vielleicht zieht sich aus deshalb die Dichotomie Hell-Dunkel fortlaufend durch ihr Werk. Ihre afrikanischen Wurzeln zeigen sich ebenso in der für sie charakteristischen reduzierten Formensprache.
Einen direkten Rückgriff auf den Kontinent ihres Vaters zeigen Anna Nwaada Webers jüngste Werke, bei denen sie afrikanische Holzskulpturen, die stehlenartigen Menschen darstellen, verwendet. Auf deren Sockeln bringt sie Modellfiguren an, wie man sie aus Architekturmodellen und Modelleisenbahnszenarien kennt. Auch in dieser Werkgruppe erkundet sie Identität und Selbstverständnis. Jedoch verleiht sie den Objekten eine irritierende Präsenz, indem sie überraschenderweise die Gewichtung verschiebt: die afrikanischen Figuren sind weiß gefasst, die kleinen Menschen auf den Sockeln schwarz. Damit transformiert sie ihre Fragestellung auch zu unserer.
Anna Nwaada Webers Kunst ist feinsinnig. Sie findet den unmittelbaren Weg zu uns, den Betrachtern. Ihre Malereien und Objekte konfrontieren uns mit Fragen, die uns alle betreffen und begleiten. Anna Nwaada Webers tiefgründige künstlerische Untersuchung der menschlichen Existenz und ihrer Zusammenhänge vollzieht sich dabei empathisch und einladend. So wie sich die Bildräume ihrer Malereien öffnen, öffnet sich für uns mittels ihrer Kunst Raum, um über uns selbst zu reflektieren.
Dr. Stefanie Lucci
August 2012
References / Quellen:
The term “God particle” refers to the Higgs boson as discussed in popular science media,including Focus Online and Der Spiegel.
Der Begriff „Gottesteilchen“ bezieht sich auf die populärwissenschaftliche Rezeption des Higgs-Bosons, u.a. in Focus Online und Der Spiegel.